Jo, ich bin Knut, ich wohne hier in Eidelstedt seit eh und je, bin eigentlich ein Eingeborener. Ich bin ein eher zurückhaltender Mensch. Eigentlich mehr mit Hemmungen, ja. So ein bisschen schüchtern. Ich kann auch reden, kann auch auf Leute zugehen, aber das ist auch immer ein bisschen komisch.

Das überrascht mich, Du wirkst so offen und direkt!

Ja, bin ich auch. Aber es gibt schon so Phasen, da bin ich etwas zurückhaltender. Auf jeden Fall bin ich nicht so’n auftrumpfender Mann. Das mag ich nicht, so auf zu trumpfen.

Du bist ja schon immer in Eidelstedt. Und warum?

Ja, genau. Offiziell gemeldet, war ich eigentlich nur in Eidelstedt. Ich habe mir auch nicht so viel anderes angeschaut, aber ich finde es ruhig in Eidelstedt, wenn ich das so vergleiche mit Innenstadt oder Sternschanze. Das ist mir alles zu stressig. Zu laut. Ich find das hier ruhiger.

Und hast du einen Lieblingsort in Eidelstedt?

Eigentlich überall, wo man im Park sitzen kann, wo es schön ruhig ist. Hier, am Eidelstedter Marktplatz oder drüben auf der anderen Seite der Autobahn noch mehr, Richtung Feldmark und Niendorfer Gehege. Da ist auch irgendwie ruhiger.

Hast du das Gefühl, der Stadtteil hat sich sehr verändert?

Ja, das auf jeden Fall. Es ist schon einiges dazu gekommen, auch mit dem Einkaufszentrum. Und die Menschen sind mehr geworden. Weil eben auch einige, sehr große Siedlungen dazu gebaut wurden. Ja, wir werden hier schon mehr. Dadurch wird es auch gleich unruhiger, aber ich fühl mich trotzdem noch wohl. Mag auch sein, weil ich hier aufgewachsen bin. Dass es mit daran liegt.

Bist du aber eigentlich gerne alleine?

Nicht unbedingt, zwangsweise im Moment. Manchmal ist es zwar gut, da kommt man zu sich, wenn man mal alleine ist, das braucht man auch. Aber ich war in meinem Leben sehr viel alleine. Aber dann treffe ich mich eben mit Freunden oder meiner Mutter. Dann wird das schon wieder. Ich unterhalte mich gerne über Politisches oder auch so über die Menschen, einen selber. Das mach ich dann.

Und was interessiert dich politisch?

Politisch? Ja so, was aktuell passiert, Abbau der Kernkraftwerke, zum Beispiel. Ich bin ja eigentlich auch Landschaftsgärtner von Beruf, weil mich so etwas ja auch interessiert – das ökologische Gleichgewicht der Welt. Der Zusammenhang zwischen Tieren und Pflanzen, wir gehören ja mit zu den Tieren, das vergessen wir immer mal wieder. Dass wir Teil der Natur sind, wir halten uns dann raus und machen alles kaputt. Unsere eigene Lebensgrundlage.

Hat umweltbewusstes Handeln für dich dann etwas mit Solidarität zu tun?

Ja, unbedingt. Solidarität ist ja im besten Fall so beides – etwas gemeinsam machen, sich gemeinsam für etwas sozial und ökologisch Sinnvolles einsetzen. Wir sind ja eben Teil der Natur, deswegen gehört das eine ja mit dem anderen zusammen.

Also das Gemeinschaftliche steht im Vordergrund.

Ja genau, also dass man in der Gemeinschaft was macht. Sich für eine Sache einsetzt.

Was bedeutet dann Vielfalt für dich?

Vielfalt ist im Grunde doch Demokratie, im Grunde bedingt die Vielfalt doch die Demokratie. Das ist es was die Demokratie ausmacht, dass verschiedene Meinungen aufeinander kommen, und man das dann ausdiskutiert und dann Kompromisse findet. Das ist der Sinn der Demokratie. Was ich auch wesentlich besser finde, als was die Rechten da machen, was da immer mehr aufkommt. Und all das mit Gendern und so was, gehört eben alles auch dazu. Auch mehrere Nationalitäten, andere Sexualitäten. Das gehört eben alles dazu, zur Demokratie. Ich mag ja auch nicht jeden. Aber dann heißt das eben, ich mag den einen Mensch nicht, ich darf doch dann nicht verallgemeinern und auf die alle so draufhauen, nur weil ich einen Menschen nicht mag. So wie die Rechten das machen. Das nervt mich.

Und hast du das Gefühl, dass die Rechten gerade noch Aufwind haben?

Ja, noch ja. Ich finde, dass es im Moment noch noch einmal etwas schlimmer wird als es in den 90ern oder was war. Das hat die Politik doch gezüchtet. Weil immer mehr diese Spaltung zwischen Reich und Arm entstand. Dadurch wurden die Leute, die kein Geld hatten, ja auch immer unzufriedener. Dann schieben die das immer auf Ausländer und schreien „Haut ab!“ – dabei hat die Politik doch an wichtigen Investitionen in Bildung und Forschung gespart. Meine Nichte erzählt mir, dass sie nicht mal in der Schule auf‘s Klo will, weil es da so dreckig und kaputt ist. Und wenn ein Land nicht in Bildung und Forschung investiert, entstehen keine neuen Ideen – neue Ideen schaffen aber neue Industrien und neue Arbeit. Dann ist nicht so ein Frust bei den Leuten.

Aber ich hoffe einfach, dass das irgendwann genauso, wie bei den Republikanern oder der DVU und wie sie alle heißen… – dass das dann alles in sich zusammengekracht. Plötzlich waren die ja alle wieder weg. Und das hoffe ich, dass das jetzt auch bald passiert und dann, dass man erstmal wieder Ruhe vor den Leuten hat. Das hoffe ich. Im Grunde passiert das ja schon mit der AFD.

Warst du mal politisch aktiv oder so?

Ne, nichts Großartiges. Ich habe mich mit dafür eingesetzt, dass ein Einkaufszentrum nicht vergrößert wird und der Spielplatz für Kinder hier bleibt, so was. Oder damals als es um den Erhalt des Krankenhauses am Kiez ging, also an der Reeperbahn. Was dann nachher doch nichts geworden ist, wo jetzt alles neu gebaut worden ist. Da ist jetzt ein Altersheim wo vorher das Krankenhaus war. Aber am Kiez, da war ich mehr als ich noch immer so fernbedient rumgelaufen bin. Alkohol, Kiffen und so. Damit hab ich zum Glück aufgehört.

Und jetzt trinkst Du gar keinen Alkohol mehr?

Ne, gar nicht mehr, kein Alkohol, keine Drogen, keine Zigaretten. Seit 2017 ungefähr rauch ich nicht mehr und seit 2016 kein Alkohol. Ich war mal obdachlos zwischen ’93 und ’98 und dann habe ich aber irgendwann gesagt, so geht das nicht mehr. Dann habe ich meine Wohnung gekriegt, hier in Eidelstedt und habe dann erst zwischendurch gejobbt. Und irgendwann wurde es weniger mit der Arbeit, meine Hüfte war auch so kaputt. Inzwischen hatte ich schon einen Herzinfarkt. Ich würde ja gerne wieder arbeiten, aber was? So richtig geht ja nichts mehr. Also in meinem Beruf kann ich so nicht mehr arbeiten.

Und was hat Dir geholfen, deinen Weg da zu gehen, mit dem Trinken aufzuhören, Dir wieder eine Wohnung zu holen und so weiter?

Ja als erstes natürlich, dass die Familie auch immer gesagt hat, lass das mal sein. Aber auch für mich wirklich, ich hatte einfach keine Lust mehr fernbedient rumzulaufen, wie so’n Beknackter. Ich wurde dann 50, irgendwann ist dann auch mal Feierabend, dacht ich mir. Also 2016 wurde ich 50. Ja, ich hab mir gesagt, ich will aufhören zu trinken, weil mir das wichtiger war, weil das die körperliche Abhängigkeit dann ist. Eins hab ich kapiert: Man darf nicht aufgeben.

Vielen Dank für das Gespräch!

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