Hallo, ich bin Elisa! Ich bin Heilerziehungspflegerin und eine Netzwerkerin. Ich versuche immer Verbindungen zwischen Menschen herzustellen und bin einfach gerne mit Menschen zusammen. Für mich gibt es sogar ein extra Sprichwort: Lisi ist mein Spitznamen und weil ich so oft im Thema springe, heißt “eine Lisi machen” bei meinen Freundinnen: Die ganze Zeit das Thema wechseln.

Wie lange wohnst Du schon in Eidelstedt und was verbindest du mit dem Stadtteil?

Ich wohne seit sechs Jahren in Eidelstedt und bin hierher gezogen, weil wir hier ein schönes Haus gefunden haben. Die Lage ist perfekt, in der Nähe zur Autobahn, so bin ich schnell bei meinen Eltern und es ist nicht so weit weg von meiner Arbeit. Und wir hatten auch einfach richtig Glück mit unserer Nachbarschaft, die ist einfach total nett.

Was arbeitest Du?

Ich bin Erzieherin in einer Kita! Ich wollte schon immer was mit Kindern machen und habe dann nach der Schule ein FSJ in einer Schule mit Kindern mit Behinderungen gemacht. Dabei habe ich dann gemerkt, dass ich lieber mit kleineren Kindern arbeite und habe eine Ausbildung zur Heilerziehungspflegerin gemacht. Nach der Ausbildung bin ich nach Hamburg gezogen und habe in Jenfeld in einer Kita gearbeitet. Die Umstellung von Kleinstadt auf Großstadt plus die Erfahrungen in der Kita, die nicht so gut waren, haben mich dann dazu bewogen doch nochmal zu studieren – und dann habe ich Gebärdensprache studiert. Das waren tolle Jahre!

Was hat dich an der Kita gestört?

Da waren sehr viele Erzieher “alter Schule” und sehr viele Kinder pro Gruppe. Als integrative Kita gab es natürlich einige Kinder mit offiziell festgestelltem Förderbedarf. Aber noch viel mehr Kinder hätten Unterstützung in sprachlicher Hinsicht gebraucht, weil sie mehrsprachig aufgewachsen sind. Zudem wurde von oben ein System durchgedrückt, das den Kindern keine wirkliche Unterstützung geboten hat. Da bin ich wirklich froh bei meinem jetzigen Träger!

Warum arbeitest Du gerne mit Kindern?

Kinder sind so herrlich ehrlich, das mag ich. Ich finde es total spannend zu sehen, wie sie lernen und sich entwickeln. Ich habe auch selbst ein inneres Kind in mir drin, bin gerne selber auf Spielplätzen und schaukele und so weiter. Das hilft mir auch in der Arbeit.

Wie ging’s Dir mit Corona?

Also ich gehe ja schon gerne abends mal aus, zu Veranstaltungen, oder irgendwie essen, aber aus meiner Perspektive war das der beste Moment, da ich einen kleinen Sohn habe und zu der Zeit jetzt sowieso auf viel hätte verzichten müssen. Zwar wäre es auch schön gewesen, noch mehr Angebote wahrnehmen zu können, gerade am Anfang war ich schon ganz schön verunsichert – wie mache ich nun dieses oder jenes, das erste eigene Kind und Schlafmangel, da wäre es schön gewesen, Räume zu haben, in denen man sich austauschen kann. Mit anderen Eltern auch, die einen verstehen. Aber der Vorteil war, dass mein Mann ausschließlich im Home Office arbeiten konnte und so auch mehr Zeit hatte, mir zu helfen.

Was bedeutet für dich Vielfalt in Deutschland? 

Mensch ist Mensch, ich verurteile niemanden für andere Lebensweisen oder Glaubensvorstellung, außer Nazis vielleicht. Ich finde es toll, wenn das Leben hier diverser wird.

Hast Du einen Lieblingsort in Eidelstedt?

Einen konkreten Lieblingsort habe ich nicht. Ich bin gerne mit meinem Sohn auf den verschiedenen Spielplätzen oder gehe an der Mühlenau spazieren.

Was bedeutet für dich Solidarität?

Mir kommt als erstes in den Sinn: Menschen zu unterstützen, denen es schlecht bzw. schlechter als mir geht. Also, abzugeben von dem, was ich habe. Ein Beispiel: In der Corona-Zeit konnten unsere Chorproben nicht stattfinden.  Ich (und auch fast alle anderen Mitglieder) haben unseren Chorbeitrag aber weiterhin bezahlt, weil unser Chorleiter ansonsten deutlich weniger Einnahmen gehabt hätte.

Denkst Du, unsere Stadt hat sich in den letzten Jahren verändert und wenn ja, wie?

Also, ich finde schon, dass sich unsere Stadt in den letzten Jahren verändert hat. Man sieht mehr Menschen aus anderen Nationen, was ein bunteres Stadtbild ergibt. Und baulich hat sich auch viel verändert. Gefühlt sind an jeder Ecke Baustellen. Man sieht immer mehr moderne Neubauten, die nach und nach die alten Gebäude verschwinden lassen. Das ist zwar einerseits schade, aber andererseits finde ich moderne Gebäude schon schick. Schlimm finde ich diese Fahrradstreifen an den Straßen. Da fühle ich mich sowohl aus der Perspektive der Fahrradfahrer als auch als Autofahrer nicht wohl. Ich würde es bevorzugen, wenn die herkömmlichen Fahrradwege verbessert bzw. überhaupt erst errichtet würden.

Hallo, ich heiße Imke, ich bin Pastorin in Eidelstedt und lebe seit knapp vierzehn Jahren hier im Stadtteil. Anfangs nur mit meinem Mann und inzwischen auch mit unseren drei Kindern.

Und wie hat es Sie nach Eidelstedt verschlagen?

Ich wohne hier, weil ich hier arbeite. Wir Pastoren können nicht wählen, wo wir wohnen, sondern zu unserer Arbeit gehört auch ein Pastorat, in dem wir leben müssen. Wir leben aber sehr gerne hier und sind viel im Stadtteil unterwegs. Meine Arbeit ist im Stadtteil, die Kinder gehen hier zur Schule und in den Kindergarten – deswegen kommen wir eher selten raus. Ich bin neulich mit einer Freundin, die nicht hier wohnt, zusammen durch den Bezirk geradelt. Anschließend meinte sie zu mir: „Meine Güte, das ist ja wie auf dem Dorf. Du kennst hier ja jeden!“ Das macht natürlich auch mein Beruf, aber ich finde, so ist Eidelstedt. Eidelstedt hat so einen dörflichen Charme. Man kennt sich, man grüßt sich, man weiß umeinander, nicht um jeden, aber um viele.

Und gibt es da besondere Treffpunkte, Orte, an denen das besonders ausgeprägt ist?

Der Marktplatz ist auf jeden Fall ein Treffpunkt, also der Wochenmarkt. Ich muss immer genau planen, wann ich auf den Markt gehe und dafür ausreichend Zeit einplanen. Und zwar nicht nur zum Einkaufen, sondern weil man immer jemanden trifft und immer noch mal klönt. Für mich ist es dann natürlich auch unsere Gemeinde. Unsere Gemeindehäuser sind wichtige Treffpunkte und unsere Kirchen wichtige Begegnungsorte. Das sind sozusagen die die drei Stellen, die für mich am zentralsten sind. Das ändert sich aber auch. Das können auch mal Spielplätze sein. Also jetzt während des Lockdowns zum Beispiel habe ich die Spielplätze sehr als Orte empfunden, an denen man sich unter Eltern mit Kindern ganz regelmäßig begegnet ist und sich draußen treffen konnte.

Und haben Sie einen Lieblingsort?

Ich bin natürlich schon gerne in meiner Kirche, das muss ich schon zugeben. Ich finde, sie hat eine gute Mischung: Einerseits dieses Gefühl von Geborgenheit, abgeschlossen sein, sich zurückziehen können, allein mit Gott sein können. Aber durch unseren Umbau gibt es auf der anderen Seite eine Verglasung. Dadurch ist sie so offen, dass man, wenn man draußen vorbeigeht, rein gucken kann und man von drinnen nach draußen gucken kann. Das finde ich immer sehr einladend, gerade wenn es dann im Herbst und Winter draußen schon früh dunkel wird und drinnen Licht an ist. Und ich bin ja eben eine große Wochenmarkt-Liebhaberin. Ich gehe gerne auf den Wochenmarkt, ich bin damit als Kind schon groß geworden. Ich habe eine Weile zum Studium in Berlin gelebt und es hat mir echt gefehlt. Jedenfalls im Osten Berlins, wo ich wohnte, gab es keine Märkte – das geht gar nicht für mich. Also dieses, was ich schon sagte, das sich Begegnen und sich Austauschen auf dem Wochenmarkt, finde ich einfach eine tolle Sache. Mal ganz abgesehen von den frischen Produkten und dem Kontakt mit den Händlern.

Haben Sie das Gefühl, Eidelstedt hat sich in den letzten Jahren sehr verändert?

Eidelstedt hat sich, das kann ich aus meiner beruflichen Sicht sagen, auf jeden Fall total verändert. Das sieht man z.B. an unsere Kindergärten, die wachsen wie verrückt! Also die Stadt fragt immer wieder an, ob wir unsere sie noch erweitern können. Wir haben vier Kindergärten, eigentlich sozusagen fünf. Wir haben jetzt gerade noch einen neuen gebaut, der zu dem alten dazugehört. Aber der hat sich mal eben verdoppelt! Da ist ein richtiger Generationenwechsel. Besonders in meinem Bezirk hier, ist das gerade deutlich spürbar. Also da sind viele Menschen, die sind in den 60er oder 70er Jahren hierher gezogen. Die werden jetzt alt, gebrechlich und versterben. Und zum Beispiel hier in der Nähe gibt es Grundstücke, da standen früher zwei kleine Einfamilienhäuser drauf, die sind jetzt abgerissen, die Grundstücke zusammengelegt und jetzt stehen da vier Reihenhäuser und ein Doppelhaus. Also, da sind plötzlich sechs Familien, wo es vorher zwei Familien gab.

Es ziehen ganz viele Familien mit Kindern aus Eppendorf, oder wo sie vorher sonst gewohnt haben, hier raus. Also es geht nicht nur um Zuzug aus anderen Ländern, oder Geflüchtete, sondern vor allem auch um biodeutsche Familien aus den Innenstädten. Neulich bin ich an einer Baustelle vorbei gefahren, das wurde beworben mit: „Exklusives Wohnen in City Nähe“ – da dachte ich: Ich weiß ja nicht, aber wir reden hier vom Rand von Eidelstedt. Also ganz ehrlich, das ist weder exklusiv, noch sind wir hier in City Nähe. Ich weiß ja nicht, wo bei Ihnen die City endet… also vielleicht die City von Eidelstedt! Aber es scheint ja zu funktionieren.

Und da diese Verdichtung so stark spürbar ist, ist es total wichtig, auch noch mehr solche Grünflächen wie die Aktiv-Zone am Hörgensweg zu gestalten. Das hat man ja jetzt während des Lockdowns extrem gemerkt: Wo kann ich hier eigentlich noch sein? Wo ist nicht alles zubetoniert? Wo kann ich mich mal hinsetzen? Wo kann ich Rollschuh laufen, Springseil springen, irgendwas machen, was außerhalb meiner Wohnung stattfindet? Und das ist glaub ich eine Entwicklung, die ich auch in meinem Heimat-Stadtteil genau so beschreiben würde. Da, wo wir früher als Kinder in den Wiesen gespielt haben, das ist jetzt alles Wohngebiet, da sind überall Mehrfamilienhäuser entstanden.

Sie haben ja schon angesprochen, dass während Corona Spielplätze relevanter wurden. Was hat Corona für Sie darüber hinaus noch bedeutet?

Was hat Corona bisher bedeutet? Naja, also wir sind eine Familie mit drei Kindern in drei unterschiedlichen Betreuungseinrichtungen und wir arbeiten beide Vollzeit – das war natürlich ein riesiger Einschnitt in unserem Leben. Plötzlich alle dauerhaft sieben Tage die Woche, 24 Stunden am Stück zuhause. Wobei ich mir immer sehr dessen bewusst war, wie privilegiert wir waren mit unserem Haus, dem Garten, dass wir jeder ein Zimmer haben, wo wir die Tür zumachen konnten und sagen konnten: “Ihr nervt alle, lasst mich in Ruhe!“ Wir hatten auch mal Besuch, vereinzelt von anderen Kindern und da war zum Beispiel einmal ein Mädchen hier, die wohnte in einer Drei-Zimmer-Wohnung mit ihrer Schwester in einem Zimmer. Und zu der Zeit waren sogar die Spielplätze geschlossen. Die hat hier in unserem Garten gespielt – hier gibt es eine Sandkiste, unser Trampolin, unsere Schaukel. Die wollte natürlich nicht mehr gehen! Und da habe ich gedacht, wie gut es uns auch geht. Trotz all der Einschränkungen. Wir haben den Platz. Wir haben auch die finanziellen Mittel, uns technisch so aufzurüsten. Oder waren schon so aufgerüstet, dass wir spontan sofort in irgendwelche Videokonferenzen switchen konnten. Es war überhaupt kein Problem. Daher waren wir sehr privilegiert in dieser Zeit und das ist mir schon sehr deutlich geworden.

Beruflich habe ich viel Seelsorge gemacht, in der Zeit ganz viele Menschen angerufen und mich erkundigt, wie es ihnen geht und mit ihnen gesprochen. Wobei ich interessant fand, es war gar nicht unbedingt so, dass die Leute mit mir über Corona sprechen wollten. Viele hatten jetzt einfach die Gelegenheit, mal die Pastorin für sich alleine zu haben. Und plötzlich konnte man über alles Mögliche reden! Kurz ging es um Corona und dann aber eigentlich über den Streit mit der Schwiegertochter oder was weiß ich. Bei manchen Sachen habe ich mich dann gefragt, warum haben die mir das nicht längst schon früher erzählt? Das belastet sie ja schon so lange. Aber da kam dann immer: „Ja, ich wollte sie damit nicht stören. Aber jetzt, wo wir gerade sowieso schon reden, kann ich Ihnen das ja mal erzählen…“

Corona hat aber auch sehr viel Kreativität freigesetzt und ganz viel möglich gemacht, was vorher undenkbar war. Und jetzt ist die Kunst, die guten Sachen davon beizubehalten und rüber zu retten und abzuwägen, was von den alten Sachen so gut war, dass es wieder belebt werden soll und was auch vielleicht sein gelassen werden kann. Denn man muss was sein lassen. Man kann nicht immer noch mehr machen, sondern man muss dann auch Entscheidungen treffen und sich von Dingen verabschieden. Was nicht so einfach ist. Während des ersten Lockdowns gab es zum Beispiel eine Aktion – wir singen „der Mond ist aufgegangen“ jeden Abend am Gartenzaun. Darüber habe ich Nachbar:innen kennengelernt, zu denen ich in den vergangenen zwölf Jahren wenig bis gar keinen Kontakt hatte – inzwischen sind wir Freundinnen und singen immer noch jeden Abend! Das ist richtig toll. Wir haben völlig andere Lebenssituationen. Also wir haben uns zwölf Jahre lang nicht gekannt und durch Corona kennen wir uns jetzt.

Während der ganzen Pandemie ist ja viel die Rede von Solidarität. Was ist denn für Sie Solidarität?

Solidarität bedeutet für mich, das Absehen von meinen eigenen Bedürfnissen und auf die Bedürfnisse des Anderen zu achten. Mich nicht immer selbst in den Mittelpunkt aller Dinge zu setzen, sondern zu schauen, was andere Menschen benötigen. Manchmal auch über meine Grenzen zu gehen, z.B. über meine Scham- oder Angstgrenzen zu gehen. Wenn ich sehe, dass jemand Anderes das jetzt gerade braucht. Also ich würde vielleicht nicht das Wort Solidarität verwenden, ich würde das Wort Nächstenliebe verwenden. Was ich aber meine, ist einen Blick zu entwickeln für die Nöte des Anderen. Nicht überstülpen mit dem, was ich meine, was er jetzt braucht, sondern wirklich hinzuhören und zu fragen, was er braucht. Und dann da zu sein und zu helfen. Da gehören aber auch beide Seiten dazu. Ich glaube, während Corona hat das gut funktioniert – da habe ich versucht, so eine Einkaufshilfe anzuleiern. Das war nicht nötig, das brauchten ganz Wenige. Die meisten sagten, dass die Nachbarn oder Kinder kommen, oder sonst wer. Aber es ist natürlich immer auch eine Frage, traue ich mich, das in Anspruch zu nehmen? Also springe ich über meinen Schatten und sage, dass ich Hilfe brauche? Deswegen meine ich zwei Seiten. Ich hab gerade noch mit einer Frau aus unserer Gemeinde darüber gesprochen, die sich eines Syrers angenommen hatte. Sie hatte ihn bei verschiedenen Dingen unterstützt, und jetzt ist sie so dankbar, dass sie ihn kennt. Denn jetzt hilft er ihr. Sie ist inzwischen älter und krank geworden, jetzt kann er ganz viel machen und sie entlasten. Sie meint, vor ein paar Jahren hätte sie das niemals zugelassen, dass sie schwach ist und Hilfe braucht. Und weil sie aber weiß, dass sie ihm auch geholfen hat, kann sie das jetzt zulassen.

Was ist denn Vielfalt für Sie oder was assoziieren Sie damit?

Ja, also Vielfalt bedeutet natürlich erst mal Unterschiedlichkeit. Kein Mensch ist wie der andere. Und trotzdem haben wir ja Gemeinsamkeiten. Ich sehe das als Christin natürlich so, dass wir von Gott so geschaffen sind. Gott hat uns alle zu seinem Ebenbild gemacht. So heißt es in der Bibel. Das heißt aber nicht, dass wir alle gleich aussehen, logischerweise, sondern dass wir mit seinem liebenden Blick sozusagen geschaffen worden sind und so wie wir sind, sind wir gut. Also das ist für mich auch wichtig an Vielfalt. Keiner ist irgendwie besser, schöner, herausragender als der andere. So wie wir sind, sind wir genau richtig – mit unseren Macken, mit unseren Stärken, mit unseren Einschränkungen, die wir vielleicht haben. Das auch gelten zu lassen, den anderen so gelten zu lassen, wie er ist, und ihn nicht umformen zu wollen nach meinen Maßstäben. Das ist eine große Kunst, aber das gehört zur Vielfalt auch dazu. Also ich wohne ja hier, also in der Nähe vom Hörgensweg und dem neuen Wohngebiet in der Oliver-Lißy-Straße. Und wenn man da so am Wochenende durch diese neue Aktiv-Zone geht, das macht mir richtig viel Spaß! Da habe ich immer das Gefühl, dass Menschen aus allen Enden der Welt zusammenkommen und gemeinsam ihre Freizeit verbringen. Und dann merkt man eben doch: Ja, wir haben auch alle ähnliche Sorgen. Natürlich sind unsere Leben ganz unterschiedlich und wir haben ganz unterschiedliche Voraussetzungen und ich bin total privilegiert und vielen Menschen geht es da viel schlechter als mir. Aber wir machen uns alle Sorgen um unsere Kinder, zum Beispiel, da gibt es dann doch immer auch Parallelen. Und so vielfältig wie wir sind, haben wir eben doch auch immer Gemeinsamkeiten. Dass ist irgendwie schön zu erleben, wenn das so gut funktioniert.

Und denken Sie, Deutschland ist in den letzten Jahren wirklich sehr viel vielfältiger geworden?

Also… als ich in die Grundschule ging, waren viele polnische Kinder mit mir in einer Klasse. Und in unserem Haus wohnte eine türkische Familie, mit deren Tochter ich immer spielte. Die sprach perfekt plattdeutsch, besser als ich. Also ich will damit sagen, das ist jetzt keine ganz neue Entwicklung. Das hat es in Deutschland schon sehr lange so gegeben und das ist auch gut für unsere Gesellschaft. Und es tut uns gut, dass neue Menschen und andere Ansichten rein kommen. So, dass wir uns selber auf diese Weise auch immer wieder hinterfragen können auf diese Weise. Ich habe ein Jahr im Ausland studiert und ich glaube, das Wichtigste, was ich da gelernt habe, ist zu hinterfragen, was ich für selbstverständlich gehalten habe; wovon ich dachte, das muss so sein. Ich habe gelernt, Dinge auch anders zu sehen, anders an zu gehen. Und ich glaube, diesen Effekt erleben unsere Kinder heute hier im Aufwachsen noch mehr, weil sie mit anderen Kindern aus anderen Kulturen noch mehr zu tun haben. Und mir ist es wichtig, dass das auch gelingt. Das spielt auch in unseren Kindergärten eine große Rolle. Wie gehen wir mit den Familien um? Wie können wir ihnen helfen, hier in Deutschland anzukommen? Zu verstehen, wie die Regeln hier sind, ohne dass sie ihre eigenen Traditionen und Bräuche komplett aufgeben müssen und sich komplett anpassen müssen. Es ist immer ein Prozess und es ist immer auch ein aufeinander zugehen und Kompromisse machen für beide Seiten. Ich glaube, wenn wir hier sitzen und sagen: „So, jetzt seht mal zu, dass ihr alle so werdet, wie wir schon sind. Und nur wenn ihr das schafft, dann seid ihr hier angekommen. Und selbst dann reden wir aber eigentlich nicht mit euch!“ Dann tun wir nicht nur denen viel an, sondern ich glaube, wir vergeben uns auch selber eine ganze Menge. Wir verschenken viele Chancen dadurch. Daher wünsche ich mir immer wieder, dass das angeschoben wird und und dass wir uns immer wieder aufeinander zubewegen. Klar, das ist manchmal auch anstrengend, manchmal laut, fremd oder auch angsteinflößend. Für manche Menschen sicherlich. Aber die Kunst ist eben – ja, zu merken, dass es alles geliebte Geschöpfe Gottes sind und dass die Menschen alle Bedürfnisse haben, die gar nicht so anders sind als meine. Und dass wir gemeinsam uns eigentlich bereichern können und uns gegenseitig helfen können. Wie gesagt, das war gerade im Lockdown glaube ich für manche Menschen eine wichtige Erfahrung.

Vielen Dank für das Gespräch!

Mein Name ist Haji Mohammad Mangal aus der Provinz Khost, Afghanistan. Ich bin 33 Jahre alt. Ich habe zwei Kinder und lebe in Hamburg. Nach meinem Deutschunterricht und Corona-bedingt hatte ich nichts zu tun. Nun arbeite ich bei EDEKA zur Einarbeitung.

Wie ging es Dir mit Corona?

Aufgrund des Coronavirus habe ich mit anderen Menschen weniger Kontakte. Die Pandemie hat eine große Wirkung auf unsere Arbeitssituation und bewirkt Arbeitslosigkeit. Das ist natürlich alles nicht gut.

Was ist Solidarität für Dich?

Solidarität bedeutet meiner Meinung nach zu helfen, unabhängig von Hautfarbe, Ethnie, Alter oder Religion. Wir können Solidarität spüren, wenn wir anfangen uns die Situation unserer Nachbarn und Freunde bewusst zu machen. Dann gehen wir Schritt für Schritt die Stufen der Solidarität nach oben. Solidarität bedeutet im Allgemeinen ehrlichen Dienst am Mitmenschen.

Wie gefällt Dir Eidelstedt?

Eidelstedt ist für mich und meine Familie ein ruhiger Stadtteil und es gibt hier viele Geschäfte und Märkte. Der Bezirk ist für mich etwas ganz Besonderes, auch weil man hier ganz einfach asiatisches Essen findet.

Eidelstedt ist meine neue Heimat, was mein ganzes Leben und meine sozialen Kontakte betrifft. Und er hat viele Möglichkeiten für eine schrittweise soziale Integration geschaffen. Andererseits war es natürlich auch einfach der Ort, an dem wir damals angekommen sind. Wir sind in der Nähe des ersten Camps im Praktiker-Markt geblieben. Was mich erstaunt ist die Wirkung des Sprachunterrichts auf meine Kinder: Ihre Muttersprache ist Paschtu, aber sie sprechen Deutsch besser als Paschtu.

Wie erging es Dir in Deutschland?

Bevor ich nach Deutschland kam, hatte ich eine andere Meinung und Vorstellung von Deutschland. Wir haben wirklich viel Unterstützung bekommen, zum Beispiel durch Sprachkurse oder Hilfe bei der Wohnungssuche. Die Welle von öffentlicher Hilfe in verschiedenen Bereichen hat mir das Ankommen erleichtert und führte zu guten Erfahrungen. Dadurch haben wir auch gute Beziehungen zu Menschen unterschiedlichster Nationalitäten aufgebaut und in der Familie haben wir alle das Gefühl, dass wir für eine bessere Zukunt arbeiten können, eine Chance haben.

Was bedeutet Vielfalt für Dich?

Zum Beispiel werden in meinem Land verschiedene Sprachen gesprochen, und nach 40 Jahren Krieg und Propaganda gibt es das Gerücht, dass die persischsprachigen Menschen mit pashtosprachigen Menschen immer Konflikte haben und dass alle den Respekt voreinander verloren haben. Aber wo ich aufgewachsen bin, ist Menschlichkeit wichtig, nicht Sprache, Hautfarbe und Ethnie.

In Hamburg sind diese Unterschiede, die Ethnie und die Sprache offensichtlich, aber vor dem Gesetz und bezüglich des Respekts sind alle eins. Das heißt, das Gesetz ist für alle gleich. Das ist ein sehr schönes Vorbild für uns.

Hallo! Ich bin Leonie und ich bin 28 Jahre alt. Ich bin hier in Eidelstedt aufgewachsen und wohne in Eidelstedt. Ich bin jemand, der es sehr, sehr gerne mag, anderen Leuten eine Freude zu machen oder ihnen helfen, irgendwie kleine Glücksmomente zu erleben.

Wer bist du, wie heißt du? Und du arbeitest im Theodoros Kinder-Tageshospiz?

Genau. Ich denke, das entspricht meinem Wunsch, Menschen zu unterstützen und anderen eine Freude zu machen. Das Hospiz ist sozusagen direkt in der Nachbarschaft und dort kann ich ganz vielen Leuten begegnen und das machen, was ich liebe. Ich bin im Theodoros für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig und für Projekte und Spenden – ganz viel den ganzen Tag mit Menschen reden.

Und wie bist du darauf gekommen?

Ich habe irgendwann unten nur die Schilder entdeckt „Tageshospiz“ und auf dem Penny Parkplatz habe ich, glaub ich, mal ein Auto gesehen, wo auch Tages Hospiz Kinder drauf stand. Und da dachte ich, „Hey, wie cool das Eidelstedt so was hat.“ Und ich hab dann ehrenamtlich angefangen und später habe ich das dann praktisch in eine Vollzeitstelle umgewandelt und es ist schön zu sehen, was man alles machen kann, wenn man die Manpower so ein bisschen hat. Und ich hoffe, wir werden größer und weiter wachsen. Und man merkt auch, dass immer mehr Eidelstedter uns kennen. Wir haben hier den Edeka um die Ecke, da dürfen wir einmal die Woche einkaufen gehen, die spenden uns den Einkauf. Wir haben hier Ford Ulrich, der immer ganz günstig unsere Autos repariert, um die Ecke den Wochenmarkt, da kennen die Besitzer unser Kinder. Und wenn man dann da drüber geht, dann kriegen wir eigentlich immer eine Rose, oder was da ist. Also das ist so schön irgendwie, dass man so merkt, Hey, hier gibt’s viele, viele, die uns langsam kennenlernen und sich irgendwie engagieren möchten mit dem, was sie haben oder Spendendosen bei sich im Laden aufstellen.

Ist es das einzige Kinder-Tageshospiz in Hamburg?

Es gibt noch eine stationäre Einrichtung, die Sternenbrücke, die sehr sehr bekannt ist. Wir sind tatsächlich aber in der Form das einzige Kindertage-Hospiz in Deutschland. Das heißt, wir sind ein bisschen wie eine Kita oder wie eine Schule, die nur tagsüber Betreuung für Kinder anbieten, die nicht direkt in der Sterbephase sind. Lebensverkürzt erkrankt heißt immer, da ist zwar die Diagnose da, aber das heißt nicht, dass das Kind jetzt in den nächsten Wochen verstirbt. In den stationären Einrichtungen übernimmt die Krankenkasse nur sechs bis acht Wochen im Jahr. Und dadurch, dass die Kinder bei uns nicht schlafen, ist das halt nicht so. Die Kinder können solange zu uns kommen, wie sie dieses Angebot brauchen. Und deswegen ist das für Eltern halt ganz, ganz, ganz, ganz wertvoll.

Das heißt, sie kommen eigentlich zu euch in der Phase, in denen es noch mehr um das Leben mit Krankheit geht?

Ja. Die Kinderhospizarbeit beginnt eigentlich immer ab Diagnosestellung und es ist nicht irgendwie sechs bis acht Wochen Urlaub zwischendrin oder am Lebensende. Sondern es ist Familienbegleitung ab Diagnosestellung. Und es ist unglaublich wichtig, dass es die Sternenbrücke gibt, die diese letzten Phase auch 24 Stunden zum Beispiel begleitet. Das können wir gar nicht leisten. Aber wir sind eben für eine andere Zielgruppen da, für die Kids, die halt noch eine Lebenserwartung haben. Wir machen Lebensbegleitung und nicht die Sterbebegleitung bei uns.

Was ist für dich Solidarität?

Für mich ist Solidarität … Zuhören. Oder für mich ist Solidarität handeln und nicht denken. Also – das erlebe ich im Theo immer – dass man kommt, mit seinen Fähigkeiten, die man hat, fragt: “Hey, wie kann ich helfen? Was braucht ihr so? Das kann ich. Und hier bin ich.“ Also auf Augenhöhe. Und dass man das dann auch akzeptiert, wenn Hilfe zum Beispiel gerade nicht gebraucht wird von einer Person oder nur eine bestimmte Hilfe gerne angenommen wird. Also Solidarität ist für mich auf der einen Seite den Dialog führen und sich auf Augenhöhe begegnen. Und nicht, dass ich jemandem etwas aufstülpe. Und auf der anderen Seite Handeln, nicht nur darüber nachdenke, wie wäre es wenn, sondern dann auch ins Handeln, ins Tun kommen.

Und ist das für dich ein bisschen Motor für deine Arbeit?

Definitiv. Ich komme ja eigentlich ein bisschen aus einem anderen Bereich. Und ich habe hier ja auch eher per Zufall das Kinder-Tageshospiz entdeckt. Das kennen viele in Hamburg nicht. Es kennen viele im Stadtteil nicht.

Und du bist in Eidelstedt aufgewachsen?

Genau, ich bin also fast mein ganzes Leben lang hier. Also für eine gewisse Zeit war ich mal in China. Und dann bin ich nach Hamburg zurückgekommen und bin wieder hierher gezogen.

Also scheint es den hier zu gefallen. Kannst du beschreiben, warum und was?

Ja. Ich habe viele schöne Erinnerungen einfach an Eidelstedt bzw. in diesem Stadtteil. Ich glaube, dasn hängt jetzt eventuell nicht unbedingt zusammen mit diesem Stadtteil. Aber hier sind meine Freunde, hier bin ich zum Sport gegangen, hier bin ich viel spazieren gegangen. Ich habe Eidelstedt immer als sehr authentischen Stadtteil wahrgenommen, wo man einfach sein konnte, wie man ist. Da wird man vielleicht auch mal blöd angesprochen, aber dann kann man blöd zurück quatschen und das ist okay. Jeder ist halt so, wie er / sie ist. Und das fand ich als gute Basis, um wieder zu starten.

Und hast das Gefühl, der Stadtteil hat sich sehr verändert in den letzten Jahren?

Ja, ich hab das gar nicht so mitbekommen, muss ich ehrlich sagen. Ich glaube, dass ist mehr so unterbewusst. Es hat schon eine Veränderung stattgefunden, auf jeden Fall. Ich glaube aber auch, für mich, als ich klein war, dann hab ich irgendwie hier immer ganz große Wiesen, Flächen und Spielflächen gesehen, wo ich halt früher mit meinen Freunden unterwegs war. Und diese Wiesen und Flächen sind immer noch da, aber sie kommen mir vielleicht nicht mehr so groß vor. Außerdem gucke ich jetzt auf andere Dinge. Also das heißt, es hat sich mehr durch meinen Blick was geändert.

Aber der Stadtteil hat sich auf jeden Fall entwickelt. Was ich immer sehr spannend finde, mein Opa Peter Jäger hat mal die Eidelstedt Chronik hier geschrieben. Und ich weiß, das habe ich früher durchgeblättert und dachte: „Ach wie spannend, hier gab’s mal eine Mühle und ein Kino und und und“. Das gab‘s schon mal ganz viel, was jetzt nicht mehr da ist. Aber dafür sind auch andere Sachen da.

Gibt es so eine Eidelstedter Identität?

Tatsächlich nicht. Deswegen meinte ich das mit den Erinnerungen, dass ich das mehr an Personen knüpfe und weniger an Eidelstedt. Aber es hat ja trotzdem in Eidelstedt stattgefunden. Und das ist auch die Erfahrung mit Freunden von anderen Stadtteilen, die da sind, die finden das geil da zu wohnen und das ist so Teil ihrer Hood. Das würde ich jetzt nicht unbedingt sagen, das ist mein Kiez oder ähnliches; sondern einfach, hier bin ich und hier fühle ich mich wohl. Ich überleg gerade, woran das liegen könnte… Ich glaube, es gibt nicht so ein typisches Eidelstedt-Klischee, sag ich mal so. Aber das ist ja eigentlich was Schönes, wenn ich so drüber nachdenke. Oder dass sich das vielleicht erst noch formt. Dass es noch nicht so ganz viel Wir-Gefühl gibt, dass es vielleicht so kleine „Wir’s gibt irgendwie. Wir vom Theo, wir vom SVE, wir Spaziergänger, die hier in der Steiermark spazieren gehen oder so. Aber noch nicht wir Eidelstedter:innen

Und hast du einen Lieblingsort in Eidelstedt?

Das ist wieder die Erinnerungskiste. Tatsächlich: Ich liebe den Kleingarten von meinen Eltern. Der ist im Schneeballweg. Das ist, glaub ich, mein absoluter Lieblingsplatz in Eidelstedt. Da habe ich Erinnerungen daran, wie wir früher immer dorthin mit dem Fahrrad gefahren sind, wie wir da Erdbeerkuchen essen, den meine Mutter da macht aus den frischen Erdbeeren, die im Beet wachsen. Ja, das ist so mein Lieblingsplatz in Eidelstedt, da ist es grün, da ist es schön.

Was ist Vielfalt für dich?

Und ich kann das auch mal ganz gut aufs Theo ummünzen. Vielfalt ist für mich ein Ort, wo viele Menschen mit vielen tollen Fähigkeiten aufeinander treffen und sich dann irgendwie organisieren und dann ihr Zusammenleben gestalten und dadurch Gesellschaft gestalten. Und zum Beispiel im Theo haben wir so viele tolle Ehrenamtliche aus der Nachbarschaft – der eine sagt, er kann sich nicht vorstellen, ein Kind oder eine Familie eng zu begleiten, aber er ist sein Leben lang Auto gefahren. Also ist da dieser Rentner, der einmal die Woche mit einer Pflegefachkraft Kind XY morgens ins Theo bringt und ihm so den Platz ermöglicht. Und dieser Rentner lädt sich dann irgendwo auf YouTube die Lieblings CDs von den Kindern runter und grölt mit den Kindern im Auto laut Anna und Elsa aus „Eisprinzessin“ mit!

Dann ist es auf einmal nicht mehr Hospiz und Tod und Trauer und eigentlich Angst und ich traue mich da nicht rein, sondern dann gibt es so ganz natürlich einen Übergang. Ja, oder die tollen Ehrenamtlichen, die halt in die Familienbegleitung gehen, die sagen okay, sie sind einfach nur mal für die Mama da und hören jetzt einfach mal zwei Stunden zu und sind ganz tolle Zuhörer. So was, was jetzt vielleicht der Rentner, der gerne Auto fährt, nicht könnte. Und so ist einfach jeder irgendwie mit seinen Fähigkeiten da und das macht für mich irgendwie auch Vielfalt aus. Im besten Fall, dass man sich organisiert und schaut, wie man so das Miteinander gestalten kann.

Ich habe das Gefühl, der Tod wird in Deutschland oft lieber nicht thematisiert. Was sind da deine Erfahrungen?

Also ich glaube, Tod und Trauer sind einfach kulturbedingt bei uns in Deutschland bei vielen Personen ein Tabuthema. Also es gibt ja andere Kulturen, da wird der Tod gefeiert und da wird das zelebriert. Das ist bei uns halt einfach anders oder es wird anders damit umgegangen, das ist nicht unbedingt schlechter oder besser, sondern einfach anders. Und was aber schon auffällig ist, finde ich, dass gerade Trauer, Tod und dann die Komponente Kinder ein ganz schwieriges Feld ist, weil viele da auch keine Erfahrungswerte haben, sich vielleicht auch nicht wirklich was drunter vorstellen können. Das wird ja auch in den Medien nicht unbedingt aufgegriffen. Oder wenn halt nicht unbedingt positiv oder nur sehr emotional. Auf jeden Fall dargestellt als Thema, mit dem man sich jetzt nicht mal so nebenbei auseinandersetzt. Im Theo haben wir uns so ein bisschen auf die Fahne geschrieben, einen Ort zum Leben und Lachen. Wir versuchen halt zu schauen, wie man zum Beispiel Pflege gestalten kann und was Leben und Lachen bedeutet. Und das ist ja auf die Bedürfnisse eingehen. Sozusagen, dass man nicht nur tolle Ausflüge macht und Geburtstag gefeiert und Geschenke macht, sondern zum Beispiel auch Plätze der Ruhe schafft. Also wenn ein Kind wirklich das Bedürfnis hat, jetzt mal acht Stunden zu schlafen, weil es die ganze Nacht nicht geschlafen hat, weil es Bauchschmerzen hatte, dann ist ein Ort zum Leben und Lachen, wenn jemand eine schöne Kissenburg baut, sich das Kind da hinlegen kann und irgendwie weiß, Schwester Tanja ist vor der Tür und passt auf, dass keiner acht Stunden in diesen Raum kommt.

Und dann sind sie zufrieden. Oder wenn jemand zuhört. Und das ist für mich praktisch Hospizarbeit. Im Erwachsenen-Hospiz-Bereich ist das ein bisschen anders. Da wird viel mehr die Sterbephase begleitet. Dann werden ja auch wirklich die letzten Wochen in der Regel begleitet. Im Kinderhospiz Bereich ist das weniger so, da wird vielmehr die Lebensphase begleitet. Und für mich persönlich hatte ich vor dem Theo auch nicht so viele Berührungspunkte mit dem Thema. Habe mich auch nicht proaktiv damit wirklich auseinandergesetzt. Aber jetzt hat mir das so ein bisschen die Arbeit im Hospiz, die Angst vor dem Thema oder einfach diese Ungewissheit vor dem Thema genommen. Hospizarbeit, Palliativmedizin steht ja auch so ein bisschen dem Thema Sterbehilfe et cetera gegenüber, dass da eine Alternative praktisch zur Sterbehilfe ist oder auch zu diesen Ängsten. Weil ich denke, Personen, die sterben, haben oft Angst. Was passiert mit mir? Ich möchte nicht meine Fähigkeiten verlieren. Ich habe Angst vor Schmerzen. Ich möchte keinem zur Last fallen. Aber dass es da diesen palliativmedizinischen Bereich gibt, das weiß ich jetzt, wo es einen ganzen Haufen toller, qualifizierter Leute gibt, die sich nur darum kümmern, dass du keine Schmerzen hast, dass du niemandem zur Last fällst, dass du praktisch, reden kannst und deine Sorgen aussprechen kannst und dass da Leute sind, die praktisch dir helfen, möglichst schmerzfrei zu leben. Schmerzen auch im Sinne von psycho-sozialen Schmerzen sozusagen – dass man so irgendwie diese Endphase gestalten kann. Ob das dann wirklich so ist, wenn ich praktisch in diese Phase komme, weiß ich nicht. Aber ich glaube, fürs Unterbewusstsein tut das ganz gut. Wenige Menschen setzen sich damit auseinander, aber ich glaube auch für Angehörigen wäre es total schön, wenn sich mehr Menschen damit beschäftigen würden. Weil es ja wie gesagt bei uns auch ein Thema ist, was eher verdrängt wird in unserer Kultur.

Du hast jetzt mehrmals über das Zuhören geredet – was ist daran so wichtig für dich?

Ja, ich glaube, wenn man zuhört … oder man muss zuhören, um überhaupt erst einmal verstehen zu können: Was will denn der andere von mir und was möchte er mir sagen? Oder was sind seine Ziele? Und was ist ihnen wichtig? Und nur so kann ich ja irgendwie auf ihn eingehen und praktisch auch das geben, was ihm wichtig ist. Oder die, die Antworten geben, dass er halt nicht irgendwie leer oder unzufrieden zurückgelassen wird und irgendwie Informationen fehlen oder ein ungutes Gefühl hat. Und deswegen ist für mich Zuhören wichtig. Um einfach genau herauszufinden, wer ist da und was möchte der von mir und wie können wir irgendwie gemeinsam was auf die Beine stellen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Hallo, ich bin Brigitte! Ich würde mich als offenen Menschen beschreiben, der sehr an Kommunikation interessiert ist Meine Familie, mein Mann und unsere Töchter sind mir besonders wichtig im Leben. Aber auch der Beruf und die guten Freunde und Bekannten.

Was genau arbeiten Sie?

Ich arbeite mit Kindern und Jugendlichen, die eine Lese-Rechtschreibschwäche haben, eine Rechenschwäche oder Konzentrationsstörungen. Ich liebe an meinem Beruf, dass ich mit Kindern und Jugendlichen zu tun habe, die auf der einen Seite eine Lernschwäche, eine Lernstörung haben und auf der anderen Seite mehrheitlich in einer intakten Familie aufgehoben sind. Das erleichtert die Situation der Kinder und unterstützt auch unsere Arbeit. Also dass es den Kindern in ihrer Familie gut geht, und dass Sie Eltern haben, die Sie unterstützen können. Dass die Eltern auch selbst so im Leben stehen, dass sie ihren Kindern helfen können. Und so kann man kann sagen, dass man so nach ein, zwei Jahren Lerntherapie auch gegenüber den Eltern Überbringerin guter Botschaften ist.

Und hatten Sie durch Corona große Einschränkungen?

Ich arbeite insgesamt weniger, nun aber bin ich sehr froh, dass ich weiterarbeiten konnte. Und zum Teil haben wir auch schon Lerntherapie online gemacht. Das ist so natürlich nicht so effektiv wie vor Ort, ist aber mehr als gar nichts.

Und wie geht es Ihnen persönlich mit der Pandemie? Also haben Sie das Gefühl, dass Ihnen sehr viel fehlt?

Da ich das Glück habe, dass wir einen Garten haben, habe ich keinen Hauskoller. Mir geht es insgesamt gut. Darüber bin ich auch froh. Und das hat bestimmt auch etwas damit zu tun, dass ich in meinem Beruf weiter arbeiten konnte und kann. Außerdem hat im vergangenen Jahr unsere jüngste Tochter Abitur gemacht, und wir, also die Eltern und die jüngste Tochter haben ganz viel diskutiert und letztendlich auch sie im Abitur und in der Vorbereitung unterstützen können. Das haben wir in der in der Familie auch als Bereicherung empfunden, also dass wir Zeit hatten. Füreinander. Was ich wirklich vermisse, sind Begegnungen mit Nachbarn. Mal ein gemeinsames Essen.

Das klingt so, als ob Sie sich wohl fühlen in ihrer Nachbarschaft und in Eidelstedt?

Richtig. Sehr. Wir wohnen jetzt seit 20 Jahren in Eidelstedt und als wir hierher gezogen sind, aus Altona kommend, hatte Eidelstedt den Ruf, so richtig deutsch und spießig zu sein. Und ich kann nur sagen, das wird Eidelstedt nicht gerecht. Ja, also es gibt hier auch Vielfalt und die Offenheit, die ich insgesamt an Hamburg schätze. Und wir wohnen am Rand, direkt im Grünen, gleichzeitig gibt es viele Möglichkeiten direkt ums Eck.

Und haben Sie das Gefühl, der Stadtteil hat sich in den letzten Jahren sehr verändert?

Wahrgenommene Änderungen im Stadtteil: In Eidelstedt wird ohne Unterlass gebaut – wie in ganz Hamburg, also nicht stadtteilspezifisch.

Und was gefällt Ihnen besonders an Eidelstedt? Haben Sie einen Lieblingsort?

Mein absoluter Lieblingsort ist unser Garten und ein bekanntes italienisches Restaurant. Aber was mir immer gefallen hat, waren die Schulen meiner Kinder. Das waren gute Bildungseinrichtungen mit engagierten Menschen. Und der alte Sportverein, denn dort fühlt man sich fachlich und menschlich aufgehoben, und trifft auch auf eine bunte Vielfalt von Menschen. Da ist ein Zusammenhalt, da fühlt man sich zugehörig.

Außerdem habe ich Kontakt zu einer evangelischen Kirchengemeinde, und habe auch bei meiner jüngsten Tochter mehrere Jahre im Elternrat mitgemacht, als sie noch zur Schule gegangen ist

Was bedeutet Vielfalt und Solidarität für Sie?

Vielfalt ist für mich eine Verschiedenheit von Menschen und Respekt zwischen den Menschen. Mit Solidarität verbinde ich, sich Menschen und Auffassungen zugehörig zu fühlen und entsprechend zu handeln.

Ich bin Azizi, ich komme aus Afghanistan und bin seit 5 Jahren in Deutschland. Ich bin PTA (Pharmazeutischer Technischer Assistent). Ich hatte auch in Afghanistan als Apotheker gearbeitet, aber in Deutschland muss man immer den Abschluss noch mal machen, also musste ich noch einmal ein Jahr zur Schule und ein paar extra Fächer lernen. Aber 2017 habe ich dann meine Prüfung in Deutschland noch mal gemacht. Außerdem bin ich ehrenamtlich aktiv im Eidelstedter Bürgerhaus und in dem Bewohner:innen Komittee in der Unterkunft.

Was ist das für ein Komitee?

Die Aufgabe ist es, die Menschen zu unterstützen und mit den Deutschen zu verbinden und zwischen den Kulturen zu vermitteln. Zum Beispiel wenn wir Ramadan haben, also fasten, am Ende am Zuckerfest gehen wir zu den Nachbarn und schenken Ihnen Süßigkeiten und erklären, was Ramadan und das Zuckerfest für uns bedeutet.

Was ist Solidarität für dich?

Ich bin fest davon überzeugt, dass es möglich ist eine Gesellschaft, ein System zu bauen, das sich entwickelt und das Beste hervorbringt, und dabei jedem Einzelnen Wachstum und Beteiligung ermöglicht. Wir haben in unserer Kultur ein Sprichwort: Eine Hand macht keinen Ton, aber zwei Hände ganz sicher. Wir müssen verstehen, dass wir zusammenhalten müssen – sowohl in der Gesellschaft, als auch jeder Einzelne in der Freude, im Leid, im Wachstum. Manchmal heißt Solidarität dann Geld, manchmal Selbstaufopferung, manchmal ein paar Tage oder Stunden investieren und manchmal nur ein Lächeln schenken.

Was hat Corona mit dir gemacht?

Also die Apotheke, in der ich eigentlich gearbeitet habe, am Flughafen, die hat zugemacht. Weil die Leute nicht fliegen konnten, musste sie zumachen. Aber für mich bis jetzt ist alles gut, wir haben viel aufgepasst, haben unsere Freunde nicht besucht und so weiter. Es ist zwar nicht so schön, aber man weiß, es ist nicht für immer. Vielleicht ein Jahr oder so, dann ist alles wieder gut. Ich habe auch Glück, durch meine Arbeit und mein Ehrenamt habe ich ja noch Kontakt zu Menschen.

Es ist auch so, dass man sich gewöhnt. Ich komme aus Afghanistan, aus Kabul. Ich habe die Erfahrung, von vor 15-20 Jahren, als die Mudschaheddin nach Afghanistan gekommen sind und Kabul angegriffen haben. Am Anfang, als die ersten Bomben fielen, war das schwer für alle und wir hatten viel Angst bei jeder Explosion. Nach sechs Monaten, einem Jahr, gewöhnt man sich daran, es gehört zum Leben. So ist das mit Corona auch – am Anfang hatten alle viel Angst, aber zum Glück in Deutschland, die Regierung hat alles gut geregelt und alle haben aufgepasst, und mit der Zeit, haben wir uns daran gewöhnt. Ich bin dankbar, dass ich in Deutschland sein kann jetzt und hier alles so gut organisiert wird.

Denkst du, unsere Stadt, das Land hat sich in den letzten Jahren verändert und wenn ja, wie?

Ich glaube, aus meiner Perspektive, das Land verändert die Leute. Man muss viel lernen, wenn man hier ankommt. Also zum Beispiel am Anfang war ich 1 ½ Jahre in einem Camp im Container, wo nur Geflüchtete waren, alle aus zum Beispiel Iran, Irak oder Afghanistan. Danach sind wir umgezogen in eine Wohnung und dann haben wir gesehen, wie die Menschen in Deutschland leben, was sie machen oder was sie wollen. Und dann haben wir unser Leben schon etwas geändert. Aber ich glaube natürlich auch, dass sich Deutschland verändert hat.

Aber weißt Du, in Afghanistan sagen die Menschen eher ich komme aus Kabul, ich komme aus .. – hier sagt niemand ich komme aus Hamburg oder Bremen. Hier sind alle aus Deutschland und alle kommen miteinander zurecht. Vielleicht sagt einer ich komme aus Deutschland, und einer aus Germany und der andere aus Alman – aber alle meinen das Gleiche. Keiner sagt etwas zum anderen, weil er aus einer anderen Stadt oder Region kommt. Das finde ich gut. In Afghanistan gibt es mehr Konflikte zwischen unterschiedlichen Gruppen, hier wird das besser akzeptiert. Jeden Tag sterben in Afghanistan Menschen, auch Kinder. Natürlich gibt es auch Probleme, man kann ein Land vergleichen mit einem Dschungel – es gibt gute Tiere und es gibt schlechte Tiere. Ein Land ist auch so.

Wie lange wohnst du schon in Eidelstedt und was verbindest du mit dem Stadtteil?

Ich mag Eidelstedt, ganz Eimsbüttel, weil hier wohnen viele Deutsche. Es ist ruhig.

Ich bin Leyla, ich bin Erzieherin und mache eigentlich noch eine Weiterbildung in Heilerziehungspflege (die ich gerade pausiere, um meine Kinder besser zu unterstützen). Ich liebe einfach alle Menschen. Es macht mir einfach alles Spaß, was etwas mit Menschen zu tun hat – man muss keine enge Bindung haben. Jeder Mensch hat etwas Interessantes für mich. Von allen kann ich was lernen – zum Beispiel will ich wissen, was isst du gerne, was machst du in deiner Freizeit – wie viele Kinder du hast, oder ob du einen Mann hast oder welchen Beruf, das interessiert mich nicht.

Wie würdest Du dich beschreiben?

Ich liebe das Leben. Ich liebe es, einfach zu leben. Wenn ich zum Beispiel ein bisschen Zeit habe, um nach draußen zu gehen oder auf der Bank zu sitzen und Kaffee zu trinken, sage ich, das ist das Leben. Mehr will ich nicht. Zum Beispiel Geld, ein Haus, ein teures Auto – das ist Abhängigkeit. Das will ich nicht. Ich möchte immer mein Leben noch kleiner machen und so noch mehr Freiheit bekommen. Geld ist auch Abhängigkeit, Rauchen ist auch Abhängigkeit, Trinken ist auch Abhängigkeit – und, zu viele Menschen um sich haben kann auch Abhängigkeit sein. Mit sich selber sein, ist gut. Ich kann zum Beispiel mit euch jetzt stundenlang reden, die tiefsten Gespräche haben – aber wenn ich weg bin, dann bin ich weg. Mit anderen Menschen sein, heißt ja auch Verantwortung übernehmen. Sport, Ernährung, Entwicklung eines Menschen, das interessiert mich. Und wenn jemand die gleichen Interessen hat, will ich nur sitzen und zuhören. Wenn er / sie dann sagt, er liest ein schönes Buch – dann will ich das auch lesen.

Wie lange wohnst Du schon in Eidelstedt und was verbindest du mit dem Stadtteil?

Also in Deutschland bin ich seit 13 Jahren und in Eidelstedt seid ungefähr sieben Jahren.

Hast du Lieblingsorte in Eidelstedt?

Also ich habe nicht viel so Zeit, weil ich sehr beschäftigt bin, aber wenn ich Zeit habe, dann mag ich das Niendorfer Gehege sehr gerne. Dann versuche ich mit meinen Kindern öfter dorthin zu gehen und zu picknicken oder Fahrrad zu fahren. Genau, das mag ich. Oder wir haben ja auch das Eidelstedter Zentrum am Marktplatz. Da gibt es auch viele Möglichkeiten, wenn ich mich mit einer Freundin treffen möchte, einen Kaffee trinken. Und ja, da gibt es zum Beispiel eine Bücherhalle. Also da kennen mich alle! Wenn ich Zeit habe und etwas lesen möchte, da gibt es eine Ecke mit einem roten Sofa – das war meine Ecke! Ich habe da oft meinen Kaffee mitgenommen und stundenlang gelesen. Und ein bisschen mit den Mitarbeiterinnen geredet, ich habe Dir gesagt: Ich mag Menschen! Ein bisschen reden, lächeln und tschüss.
Und im Bürgerhaus waren wir auch viel, da haben sie zum Beispiel einmal im Monat, glaube ich, Kino für Kinder. Für nur zwei, drei Euro. Ich finde das wirklich toll, was es in diesem Stadtteil alles kostenlos oder für wenig Geld gibt. Da hatten wir viele Möglichkeiten.

Denkst Du, unsere Stadt hat sich in den letzten Jahren verändert und wenn ja, wie?

Ja, schon, viel. Ich glaube, wenn ich einen Monat nicht am Eidelstedter Platz war und dann wieder komme sind da neue Hochhäuser oder Baustellen. Und natürlich, in vielen Ländern auf der Welt gibt es Krieg und Menschen sind gekommen. Aber ich muss sagen: Ich finde es einfach nur mega super, was Deutschland gemacht hat! Von Herzen sage ich das. Ich war vorher schon aktiv, aber jetzt sage ich: Ich tue für dieses Land, was ich kann. Wenn ich zehn Stunden ohne Pause arbeiten muss, dann werde ich arbeiten. Wie viel Steuern ich auch zahlen muss, das ist für mich egal. Dass dieses Land den Menschen so geholfen hat, das ist einfach besonders.
Natürlich, es gibt jetzt viele Hochhäuser, ok, das ist nicht so schön. Aber manchmal, man muss auch flexibel sein. Man weiß nicht, was im Leben passiert. Zum Beispiel jetzt Corona – wie viele Menschen sind gestorben? Reich, arm, egal, sie sind gestorben. Klar, der Stadtteil hat sich geändert, aber weil wir geholfen haben. Aber ich glaube, wir müssten noch mehr Angebote machen, dass wir einander kennenlernen. Es gibt Kulturkonflikte, klar. Da müssen wir noch lernen. Zum Beispiel wenn ich Kinder habe, die zuhause gelernt haben mit den Händen zu essen – dann zwinge ich sie nicht vom ersten Tag an mit Gabel und Messer zu essen. Erstmal beobachten, gucken, mit der Zeit werden sie schon lernen. Das ist aber eine kulturelle Sache. Nicht sofort alles verurteilen, sondern gucken, lernen. Klar, Menschen sind sowieso schon verschieden, aber Kultur macht auch eine Menge. Aber wir müssen Menschen kennenlernen, auch Migranten sind unterschiedlich. Ich bin selber Migrantin – manche Sachen habe ich von meiner Erziehung gelernt, aber manches von meiner Kultur. Der eine Mensch hat ein gutes Herz, der andere nicht. Aber dazu musst du die Menschen kennenlernen, ein bisschen Respekt haben.

Was bedeutet dann für dich Vielfalt?

Jeder Mensch muss sich selber bewusst sein: Ich bin dieser Mensch und ich will das. Eigentlich haben wir doch alle das gleiche Ziel: Wir wollen glücklich sein. Manche sagen, wenn ich immer reise, bin ich glücklich. Einer sagt, wenn ich Zuhause meine Ruhe habe, dann bin ich glücklich. Aber das Ziel ist immer gleich! Genau das ist es ja, man muss das nur sagen. Du bist anders als ich. Ich bin anders als du. Aber wir können zusammen eine gemütliche Zeit haben und dann Tschüss sagen. Und dann lebst Du dein Leben und ich lebe mein Leben und – wie die Italiener sagen – Basta!
Man muss das Leben so sehen wie Musik und dann einfach den Körper freilassen und mit der Musik mittanzen. Der Körper wird das machen, die Seele wird das machen, die Menschen werden das mitmachen. Nicht immer sich so viel Stress machen, alles so streng sehen. Wenn ich immer alles negativ sehe, dann werde ich krank. Werde ich krank, wird meine Seele auch krank. Und das brauche ich doch nicht! Aber es ist immer ein Unterschied zwischen reden und tun – das ist das Schwierigste, auch das zu tun, was man denkt.

Was bedeutet für dich Solidarität?

Das ist mein Thema! Solidarität ist für mich wie eine grundlegende Regel unserer Gesellschaft, die Basis, an die sollten sich eigentlich alle Menschen halten. Wie zum Beispiel im Verkehr, wenn ich eine rote Ampel sehe, muss ich stehen bleiben. So muss ich, wenn ich sehe, dass ein Mensch Hilfe braucht, auch helfen. Gerade in unserer aktuellen Zeit, muss man solidarisch sein. Aber nicht nur davon sprechen, sondern es auch tun. Ich erwarte eigentlich, dass du mich in ein paar Monaten mal fragst: Und, hast du solidarisch gehandelt? Außerdem hängt Solidarität für mich mit unserer Umwelt, mit unserem gesamten Leben zusammen, auch mit Nachhaltigkeit. Ich will, dass das was ich mache, lange hält.

In meinem Beruf bin ich Vorbild. Das heißt, ich versuche mit meiner Haltung, die Eltern auch zu überzeugen, wie ich mit den Kindern umgehe. Seele, Geist und Leib, sagen wir. Das heißt, die alle müssen sich zusammen entwickeln. Das heißt ich gebe Liebe, aber das ist nicht alles. Wir machen zum Beispiel auch Müllaktionen, dann gehen wir Müll sammeln und ich zeige den Kindern, das gehört in den Mülleimer – die Stadt stellt so viele Möglichkeiten zur Verfügung, seinen Müll zu entsorgen, alle 100 Meter steht ein Mülleimer. Aber leider, leider sieht man trotzdem überall auf dem Boden Müll. Vielleicht kann ich nicht die ganze Gesellschaft ändern, aber das in meiner Umgebung: Also kann ich hier etwas mit den Kindern und ihren Eltern machen, die können dann vielleicht wieder andere Eltern überzeugen – diese Kinder sind unsere Zukunft! Deswegen sagen wir, Politik fängt in der Kita an. Aber natürlich hat es auch etwas mit dem Zwischenmenschlichen zu tun. Ich nehme jeden Menschen wie er ist, das ist für mich ok – aber wenn das Verhalten nicht ok ist, dann muss ich auch etwas sagen. Viele Menschen nehmen das dann persönlich, obwohl ich nur eine Handlung kritisiere – und dann gibt es Streit. Aber als Mensch müssen wir Verantwortung übernehmen, für unser Leben, aber auch das unserer Gesellschaft. Wir können nicht immer wegschauen. Und wenn man das als Kind nicht gelernt hat, dann muss man als Erwachsener gucken und lernen.

Möchtest Du noch etwas sagen?

Wenn man das Glück kennengelernt hat, weiß man was zählt. Ich sage immer zu den Menschen, eigentlich sitzt neben dir dein Glück. Es ist deine Entscheidung, ob du es mitnimmst. Es wird gehen, wenn du es nicht mitnimmst. Dann gehst du immer weiter und dein Glück bleibt zurück, der Abstand wird immer größer. Weil du es nicht mitgenommen und in deine Tasche gepackt hast. Ich nehme mein Glück immer mit mir und dann gehen wir zusammen, egal wohin ich gehe.

Ich bin Karim, ich bin 33 Jahre alt. Ich bin verheiratet und habe drei Kinder. In Afghanistan habe ich als Verkäufer in einem Lebensmittelladen gearbeitet, hier arbeite ich gerade bei EDEKA.

Was macht Corona mit Dir?

Es nervt manchmal und ist manchmal ein bisschen schwer, aber alles ok.

Wie lange wohnst du schon in Eidelstedt und was verbindest du mit dem Stadtteil?

Ich bin seit 5 ½ Jahren in Deutschland und war von Anfang an in Eidelstedt.

Was bedeutet für dich Solidarität?

Heutzutage wäre ein Zeichen von Solidarität zum Beispiel, wenn wir ältere Menschen, unsere Großmütter und Großväter besuchen und an ihrer Freude und Trauer teilhaben würden.

Denkst du, unsere Stadt hat sich in den letzten Jahren verändert und wenn ja, wie?

Ich kann eher beschreiben, wie sich die Menschen ändern, die hierher kommen: Zum Beispiel haben Familien hier nicht mehr als drei Kinder. In Afghanistan ist es normal, dass vielleicht jedes Jahr ein Kind stirbt, man bekommt viele Kinder – aber man weiß auch nicht, wie viele überleben.

Was bedeutet für dich Vielfalt in Deutschland? 

Früher habe ich ganz anders gedacht als heute. Alle Länder haben gute und schlechte Menschen. Hier habe ich so viel gelernt, hier sind so viele verschiedene Menschen und sie können alle zusammen leben und arbeiten. In Afghanistan sind alle Muslime, aber trotzdem gibt es Krieg und Probleme, hier gibt es so viele Religionen und Kulturen und trotzdem können alle zusammen in Frieden leben. Klar, Deutschland hatte früher viel Krieg, aber hat jetzt verstanden, dass Krieg nicht gut ist. In Afghanistan gibt es auch schon 50 Jahre Krieg und die Menschen verstehen es bis heute nicht.

Jo, ich bin Knut, ich wohne hier in Eidelstedt seit eh und je, bin eigentlich ein Eingeborener. Ich bin ein eher zurückhaltender Mensch. Eigentlich mehr mit Hemmungen, ja. So ein bisschen schüchtern. Ich kann auch reden, kann auch auf Leute zugehen, aber das ist auch immer ein bisschen komisch.

Das überrascht mich, Du wirkst so offen und direkt!

Ja, bin ich auch. Aber es gibt schon so Phasen, da bin ich etwas zurückhaltender. Auf jeden Fall bin ich nicht so’n auftrumpfender Mann. Das mag ich nicht, so auf zu trumpfen.

Du bist ja schon immer in Eidelstedt. Und warum?

Ja, genau. Offiziell gemeldet, war ich eigentlich nur in Eidelstedt. Ich habe mir auch nicht so viel anderes angeschaut, aber ich finde es ruhig in Eidelstedt, wenn ich das so vergleiche mit Innenstadt oder Sternschanze. Das ist mir alles zu stressig. Zu laut. Ich find das hier ruhiger.

Und hast du einen Lieblingsort in Eidelstedt?

Eigentlich überall, wo man im Park sitzen kann, wo es schön ruhig ist. Hier, am Eidelstedter Marktplatz oder drüben auf der anderen Seite der Autobahn noch mehr, Richtung Feldmark und Niendorfer Gehege. Da ist auch irgendwie ruhiger.

Hast du das Gefühl, der Stadtteil hat sich sehr verändert?

Ja, das auf jeden Fall. Es ist schon einiges dazu gekommen, auch mit dem Einkaufszentrum. Und die Menschen sind mehr geworden. Weil eben auch einige, sehr große Siedlungen dazu gebaut wurden. Ja, wir werden hier schon mehr. Dadurch wird es auch gleich unruhiger, aber ich fühl mich trotzdem noch wohl. Mag auch sein, weil ich hier aufgewachsen bin. Dass es mit daran liegt.

Bist du aber eigentlich gerne alleine?

Nicht unbedingt, zwangsweise im Moment. Manchmal ist es zwar gut, da kommt man zu sich, wenn man mal alleine ist, das braucht man auch. Aber ich war in meinem Leben sehr viel alleine. Aber dann treffe ich mich eben mit Freunden oder meiner Mutter. Dann wird das schon wieder. Ich unterhalte mich gerne über Politisches oder auch so über die Menschen, einen selber. Das mach ich dann.

Und was interessiert dich politisch?

Politisch? Ja so, was aktuell passiert, Abbau der Kernkraftwerke, zum Beispiel. Ich bin ja eigentlich auch Landschaftsgärtner von Beruf, weil mich so etwas ja auch interessiert – das ökologische Gleichgewicht der Welt. Der Zusammenhang zwischen Tieren und Pflanzen, wir gehören ja mit zu den Tieren, das vergessen wir immer mal wieder. Dass wir Teil der Natur sind, wir halten uns dann raus und machen alles kaputt. Unsere eigene Lebensgrundlage.

Hat umweltbewusstes Handeln für dich dann etwas mit Solidarität zu tun?

Ja, unbedingt. Solidarität ist ja im besten Fall so beides – etwas gemeinsam machen, sich gemeinsam für etwas sozial und ökologisch Sinnvolles einsetzen. Wir sind ja eben Teil der Natur, deswegen gehört das eine ja mit dem anderen zusammen.

Also das Gemeinschaftliche steht im Vordergrund.

Ja genau, also dass man in der Gemeinschaft was macht. Sich für eine Sache einsetzt.

Was bedeutet dann Vielfalt für dich?

Vielfalt ist im Grunde doch Demokratie, im Grunde bedingt die Vielfalt doch die Demokratie. Das ist es was die Demokratie ausmacht, dass verschiedene Meinungen aufeinander kommen, und man das dann ausdiskutiert und dann Kompromisse findet. Das ist der Sinn der Demokratie. Was ich auch wesentlich besser finde, als was die Rechten da machen, was da immer mehr aufkommt. Und all das mit Gendern und so was, gehört eben alles auch dazu. Auch mehrere Nationalitäten, andere Sexualitäten. Das gehört eben alles dazu, zur Demokratie. Ich mag ja auch nicht jeden. Aber dann heißt das eben, ich mag den einen Mensch nicht, ich darf doch dann nicht verallgemeinern und auf die alle so draufhauen, nur weil ich einen Menschen nicht mag. So wie die Rechten das machen. Das nervt mich.

Und hast du das Gefühl, dass die Rechten gerade noch Aufwind haben?

Ja, noch ja. Ich finde, dass es im Moment noch noch einmal etwas schlimmer wird als es in den 90ern oder was war. Das hat die Politik doch gezüchtet. Weil immer mehr diese Spaltung zwischen Reich und Arm entstand. Dadurch wurden die Leute, die kein Geld hatten, ja auch immer unzufriedener. Dann schieben die das immer auf Ausländer und schreien „Haut ab!“ – dabei hat die Politik doch an wichtigen Investitionen in Bildung und Forschung gespart. Meine Nichte erzählt mir, dass sie nicht mal in der Schule auf‘s Klo will, weil es da so dreckig und kaputt ist. Und wenn ein Land nicht in Bildung und Forschung investiert, entstehen keine neuen Ideen – neue Ideen schaffen aber neue Industrien und neue Arbeit. Dann ist nicht so ein Frust bei den Leuten.

Aber ich hoffe einfach, dass das irgendwann genauso, wie bei den Republikanern oder der DVU und wie sie alle heißen… – dass das dann alles in sich zusammengekracht. Plötzlich waren die ja alle wieder weg. Und das hoffe ich, dass das jetzt auch bald passiert und dann, dass man erstmal wieder Ruhe vor den Leuten hat. Das hoffe ich. Im Grunde passiert das ja schon mit der AFD.

Warst du mal politisch aktiv oder so?

Ne, nichts Großartiges. Ich habe mich mit dafür eingesetzt, dass ein Einkaufszentrum nicht vergrößert wird und der Spielplatz für Kinder hier bleibt, so was. Oder damals als es um den Erhalt des Krankenhauses am Kiez ging, also an der Reeperbahn. Was dann nachher doch nichts geworden ist, wo jetzt alles neu gebaut worden ist. Da ist jetzt ein Altersheim wo vorher das Krankenhaus war. Aber am Kiez, da war ich mehr als ich noch immer so fernbedient rumgelaufen bin. Alkohol, Kiffen und so. Damit hab ich zum Glück aufgehört.

Und jetzt trinkst Du gar keinen Alkohol mehr?

Ne, gar nicht mehr, kein Alkohol, keine Drogen, keine Zigaretten. Seit 2017 ungefähr rauch ich nicht mehr und seit 2016 kein Alkohol. Ich war mal obdachlos zwischen ’93 und ’98 und dann habe ich aber irgendwann gesagt, so geht das nicht mehr. Dann habe ich meine Wohnung gekriegt, hier in Eidelstedt und habe dann erst zwischendurch gejobbt. Und irgendwann wurde es weniger mit der Arbeit, meine Hüfte war auch so kaputt. Inzwischen hatte ich schon einen Herzinfarkt. Ich würde ja gerne wieder arbeiten, aber was? So richtig geht ja nichts mehr. Also in meinem Beruf kann ich so nicht mehr arbeiten.

Und was hat Dir geholfen, deinen Weg da zu gehen, mit dem Trinken aufzuhören, Dir wieder eine Wohnung zu holen und so weiter?

Ja als erstes natürlich, dass die Familie auch immer gesagt hat, lass das mal sein. Aber auch für mich wirklich, ich hatte einfach keine Lust mehr fernbedient rumzulaufen, wie so’n Beknackter. Ich wurde dann 50, irgendwann ist dann auch mal Feierabend, dacht ich mir. Also 2016 wurde ich 50. Ja, ich hab mir gesagt, ich will aufhören zu trinken, weil mir das wichtiger war, weil das die körperliche Abhängigkeit dann ist. Eins hab ich kapiert: Man darf nicht aufgeben.

Vielen Dank für das Gespräch!

Skip to content